Bei der Jubiläumsausgabe der TMP-Tour hätte das „T“ auch für Testosteron stehen können. Von dem nämlich hatten die männlichen U17er so viel, dass sie den schnellen Saft auch literweise in Flaschen hätten abfüllen können. Die sogenannte Kleine Friedensfahrt in Gotha war geprägt von hart geführten Rennen.
Ein großes Kompliment geht an den Ausrichter, den RSC Waltershausen-Gotha, dem Top-Sponsor TMP Fenster und Türen, den vielen weiteren Sponsoren und den sicher noch zahlreicheren ehrenamtlichen HelferInnen. Diese Veranstaltung ist ein Fest. Normalerweise müsste German Cycling dem Klub die Füße küssen und sie mit Geld nur so bewerfen, so unglaublich ist das, was die Waltershäuser-Gothaer da in jedem Jahr auf die Beine stellen. Wir ziehen unseren Hut ganz tief vor dieser so wichtigen Arbeit für die Radsportjugend.
Eindrucksvolle Starterlisten in der U15 sowie der weiblichen wie männlichen U17 zeigten sich beim Start der ersten Etappe vor dem herzoglichen Museum in Gotha bei allerfeinstem Radwetter. Eine klasse Kulisse. In der U17 der Mädels zeigte sich schon an diesem Tag, dass der Kampf Deutschland-Italien-Schweiz über alle vier Etappen ein ganz heißer werden würde. Auch bei den Jungs wurden frühzeitig die Weichen gestellt. Mika Lohmar aus Büttgen sprintete vor gleich drei Fahrern des Schweizer Nationalteams über den Zielstrich. Für das hessische Team waren neben Gustav noch Moritz Dossche sowie, bei seiner Premiere, Benjamin Becker am Start. Leider konnte Daniel Gutbier das Team aufgrund einer Verletzung nicht verstärken. Extrem schade. Gustav war das gesamte Rennen über gut positioniert und kam mit dem großen Feld 18 Sekunden nach dem Sieger durchs Ziel. Gut gemacht, Risiko minimiert, es warteten noch drei weitere Etappen.
Der Folgetag startete mit einem Zeitfahren. In Weingarten – etwas außerhalb Gothas – war der Ausgangspunkt für alle nun folgenden Etappen. Die 7,4 Kilometer lange Strecke war wirklich gemein. Zwar ging es nach dem Start die ersten 2,3 Kilometer rasend schnell nach unten, am Ende aber wartete ein mehr als zwei Kilometer langer Anstieg. Gustavs Vorgabe war eindeutig und er hielt sich ausgezeichnet an die vorgegebenen Wattzahlen auf den entsprechenden Streckenabschnitten. Platz 28 mit einem Rückstand von 49 Sekunden. Yanis Berthoud aus der Schweiz war der mehr als eindeutige Sieger, da konnte nur noch Daan Ensenbach aus NRW mithalten, ihn aber nicht stoppen. Ein Durchschnitt von 44,85 km/h – ein echtes Brett.
Am Nachmittag des gleichen Tages dann Etappe drei, die Königsetappe auf der gleichen Strecke wie das Zeitfahren. Nur, dass es jetzt acht Mal rund gehen sollte. Mit der Betonung auf „sollte“, denn es wurde zu einer Chaosetappe. „Sturz“ war das meistgebrauchte Wort auf Radio Tour und auch der Live-Ticker zeigte quasi permanent neue Startnummern an. Mit schwitzenden Händen verfolgten wir das Geschehen am Handy und im Begleitfahrzeug freute man sich immer darüber, wenn das Wort „Hessen“ nicht genannt wurde. Wir hatten Glück: Gustav, Moritz und Benjamin hielten sich aus allem raus. Dafür musste das Rennen gleich zweimal nach einem Massencrash neutralisiert werden und es wurde neu gestartet. Die richtige Entscheidung des WA, denn da alle RTWs unterwegs waren und der Rennarzt beschäftigt war, konnte die Sicherheit bei der Weiterführung des Rennens nicht gewährleistet werden. Klare Ansage des WA: „Beim nächsten Sturz brechen wir komplett ab.“ Diese Ansage kam dann endlich im Hirn der Jungs an. Die letzten drei Runden funktionierten. Für Gustav allerdings nur halb. Innerhalb der 3000-Meter-Marke wurde er aussichtsreich in Position liegend unsanft über den Straßenrand befördert – bei einem Fahrer aus dem Norden waren doch noch einige Synapsen falsch verdrahtet – und es kam zu einem Hinterraddefekt. Gut, dass Tom mit Olaf im Begleitfahrzeug schnell zur Stelle war. Der WAV im Begleitfahrzeug signalisierte auch sofort, ruhig zu bleiben, Gustav würde mit dem Feld gewertet. Im Ziel überließ Yanis Berthoud seinem Schweizer Landsmann Marwan Barhoumi in Profi-Manier eine Reifenbreite den Vortritt und beiden fuhren Arm in Arm durchs Ziel. 1:01 Minuten dahinter dann das Feld, in dem auch Moritz zu finden war. Benjamins Fahrstil „Abteilung Diesel“ konnte bei den dynamischen Attacken über den Anstieg nicht mithalten, aber auch er fand eine Gruppe, mit der er ins Ziel kam. Gleich 17 Fahrer mussten sich mit einem DNF begnügen, 111 kamen immerhin noch in die Wertung.
Am Abend dann noch etwas Hektik im Quartier Gustav, er wurde falsch einsortiert und hatte plötzlich 9 Sekunden zu viel Rückstand. Roman intervenierte per Mail und was ein Super-Service: Selbstverständlich war noch ein Ansprechpartner von ZPN-Timing an der Arbeit, der den Einspruch sofort mit dem WAV abstimmte und schließlich auch die Korrektur vornahm. Klasse Arbeit, absolut professionell.
Letzter Tag, letzte Etappe. Unsere polnischen Freunde waren wohl etwas zu aufgeregt. Die Jungs von der CCC-Brigade scharrten schon mehr als eine Stunde vor dem Start derart mit den Hufen, so, dass vom Wagen die Aufforderung kam, sich lieber noch mal im Grünen zu entspannen und das Rennen der Mädels abzuwarten. Besser wäre es noch gewesen, sie hätten sich was von den Luxemburgern abgeguckt, die nämlich kamen erst auf den allerletzten Drücker zur Übersetzungskontrolle; coole Jungs in Letzeburg. Auf dieser Etappe ging es in einer anderen Richtung um den Hügel, Start/Ziel blieben gleich. Streckenlänge: 55 Kilometer. Die Vorgabe an Gustav: „Du weißt jetzt, dass du die Pace im Feld im Griff hast, wenn die Möglichkeit besteht, probier was.“ Es entwickelte sich ein Rennen, in dem die Schweizer „keine Gefangenen“ machen wollten. Sofort Vollgas. Im ersten Zieldurchlauf war das Feld aufgesplittet. Erneut waren es die beiden Schweizer, Berthoud und Barhoumi, die klarmachten, wer hier Spitzenklasse ist – der Sieg ging klar in die Schweiz. Schließlich der vorletzte Anstieg in Richtung Ziel. Gustav fährt das Loch zu Johann Binder zu und auf der Kuppe freut sich das Feld über Gustavs Heldentat und Mika Lohmar, Jasper Carls, Eero Gündel und Anton Hafenegger attackieren drüber. Nennt man Pech. Aber was sollte Gustav auch sonst tun? Er wollte und musste zu Binder, denn der ist in seinem jüngeren Jahrgang. In der anschließend letzten Runde leckte Gustav seinen Laktat-Wunden und musste einsehen, dass die Beine für so etwas noch nicht ganz reichen; Platz 38 in dieser Schlussetappe.
In der Gesamtwertung schaffte es Gustav auf einen mehr als ordentlichen Platz 21; Moritz fuhr auf Platz 47 und Benjamin 95. Noch wichtiger: Nur fünf Jungs waren in Gustavs Jahrgang schneller als er. Mit dem „Jahrgangsplatz“ sechs lag er sogar einen Platz besser als im Voraus erhofft. Ganz große Klasse also, Applaus. Gustav darf sich schon jetzt auf das nächste Jahr und die dann 26. Ausgabe der TMP-Tour freuen. Das wird ein Fest. Es blieb nur noch rasch die Thüringer Bratwurst zur Seite legen, ordentlich aufzustehen und der Nationalhymne für den Sieg des deutschen Mädels-Teams vor der Schweiz und Italien zu lauschen, dann ging es für uns nach Hause. Danke an den Support von John, Tom & Co. von der RSG Frankfurt fürs Kümmern und das Begleitfahrzeug. Danke an die fantastische Orga. Wir kommen wieder, gerne auch mit einem weiteren ZG-Fahrer.




