Großer Preis von Kassel 2022

Wie war er denn nun, der erste Große Preis von Kassel? Die Runde vom Königstor über die Willi-Allee, die nach einer Ewigkeit wieder reaktiviert wurde. Am Ende des Tages können wir sagen: Gut lief’s! Aber – und das kann nicht wegdiskutiert oder ignoriert werden – es gab auch ein echtes Ärgernis, dazu aber später.

Nach langer Vorbereitung konnten wir dank der Unterstützung der Stadt Kassel und deren Ämtern unsere alte Strecke im documenta-Jahr wieder nutzen. Nachhaltigkeit ist ja ein zentraler Baustein der Kunstausstellung, und das trifft dann eben auch auf bereits bewährte Strecken und Rennen zu. So soll das sein. Als klar war, dass es klappen würde, mussten wir „nur noch“ ausreichend Sponsorengelder einwerben, denn die Kosten innerhalb der Stadt selbst bei einem so kurzen Rennen sind immens. Wir können unseren vielen, vielen Unterstützern gar nicht genug danken – Merci, Grazie, Gracias, Arigato, THX, Kiitos. Ohne euch keine Veranstaltung. 

Die Voranmeldungen bewegten sich auf dem erwarteten Niveau und reihten sich damit ein in den derzeit doch eher verhaltenen Aktivitätsindex der Sportlerinnen und Sportler bundesweit. Egal, welche Veranstaltung, bis zum Vor-Corona-Niveau wird’s noch dauern. Dann der Tag X, wir bauen auf. Dank Rainers Orga sind a) ausreichend ZGlerInnen vor Ort und wussten b) auch alle, was zu tun war. Kurz vor dem Renntag musste Rainer noch mal alles geben, die NADA meldete sich zu Dopingtests an. Was ein Glück, dass uns Remko Bornmann mit seinem Ladengeschäft in unmittelbarer Nähe zur Verfügung stand – war auch das geklärt. 

Nummernausgabe und Nachmeldungen haben wir dann ganz „oldschool“ mit Papier gemacht. Roman hätte es zwar gerne immer so digital wie möglich, Bernd wusste aber, dass es klassisch auch sehr gut funktioniert. So war’s dann auch. Bei der Ergebnisaufnahme wurde dann gemixt. Viele Augen und Papier auf dem Wagen plus die bewährte Zielkamera-App ergeben am Ende ein sauberes Resultat mit nur wenigen nachträglichen Änderungen. 

9:30 Uhr und los ging’s mit dem ersten Rennen. Übersichtliche Nachwuchsklassen der U11 bis U15 und dafür für unsere Jungs in Blau-Gelb die Chance, wertvolle Erfahrungen zu sammeln, und das galt ebenso für die weiteren SportlerInnen der Region, wie den Mädels aus Melsungen. Auch sie profitierten von einer kurzen Anreise und Rennsport ohne Druck. Kurzum: Jana, Gustav, Niklas und Daliah haben das prima gemacht. Das Podest der U13m: 1. Anton Paul vom RSG Hannover, 2. Julian Seng vom RSV FROH Fulda und 3. Nikita Liebhaber ebenfalls aus Hannover. Die Mädels: Erste wurde Victoria Liebhaber aus Hannover vor Ihrer Schwester Xenia und Jana Sandrock aus Melsungen. In der U11 hat uns Till Nieländer aus Gütersloh seinen Speed gezeigt. Die männliche U15 war mit vielen schnellen Beinen besetzt. So zeigte Lunis Govers vom Tuspo Weende bereits im Rohloff-Cup, was er kann. Und das setzte er auch am Sonntag um. Sieg vor Nico Matteo Baretti aus Gütersloh und Kalle Trumann aus Bielefeld.

Im Anschluss waren die Senioren 4 am Start. Wir freuen uns immer auf gut gefüllte Starterlisten in dieser Klasse und werden auch quasi nie enttäuscht, so auch an diesem Sonntag. Am Ende kann Jürgen Soop vom RSV Düsseldorf-Rath/Ratingen die stark fahrenden Fahrer des Masters radroo-team um Marco Grossegger und Dieter Vorbeck in Schach halten und siegt. Die nordhessischen Fahnen hielten Thomas Linder (ZG) auf Platz 8 sowie Hans-Jürgen Ludwig (RSC Fuldabrück) auf Platz 13 hoch. 

Es kam das Rennen der Senioren 3. Mit Platz 7 und 8 von Viktor Slavik (Masters radroo Team) und Ulli Welke (KSV Baunatal) waren damit die besten Nordhessen platziert. Vorne spielte die Musik des RSV Gütersloh. Zwischen dem Sieger Andreas Jung und dem Dritten Bernd Brune konnte sich Lars Geissler vom Osnabrücker Sportclub auf Platz 2 in Szene setzen. Wie bereits die vorherigen Rennen, lief es im Feld sehr gesittet und souverän ab, dann der Zieleinlauf. Nachdem alle Fahrer das Ziel erreicht hatten, freuten wir uns alle darauf, dass uns die Kunstradfahrerinnen vom RSC Ahnatal-Weimar ihr Können zeigen konnten. Kaum gefreut, krachte es auch schon. Aus dem – für uns gefühlten – Nichts fuhr tatsächlich noch ein Fahrer ins Ziel. Hatte er das Ende nicht mitbekommen? Hatte ein Ordner was übersehen? Hatten wir zu schlecht gesichert und einfach geschlafen? Letztlich wird es wohl der Klassiker einer Verkettung von Umständen gewesen sein. Wir wissen, dass das der betroffenen jungen Sportlerin jetzt absolut nichts mehr hilft, aber wir ärgern uns gigantisch, dass so etwas überhaupt passieren konnte. Fühl dich von allen gedrückt und komm ganz schnell wieder aufs Rad. 

Nach dem Schrecken ging das Programm mit der zahlenmäßig stärksten Klasse, den Amateuren, weiter. Da auch hier Kriterium gefahren wurde, konnte man davon ausgehen, dass Fahrer mit Erfahrung in den Läufen zum Rohloff-Cup auch hier eine Rolle spielen würden. Namentlich Christian Plessing aus Melsungen, Dario Ernst aus Baunatal sowie der für BSV AdW Berlin startende Markus Regenbogen. Und die drei machten ihren Job gut. Aber: drei andere waren an diesem Tag einfach besser. Es siegte Marcel Klute vom RSV Geseke vor Mario Carl vom LEEZE Vermarc Racing Team und Tim Kristian Liebe vom Team MaxWatt. Glückwunsch an alle. 

Die Elite Frauen teilte sich die Strecke im nachfolgenden Rennen mit der weiblichen U19 sowie einer starken männlichen U17. Ein Umstand, der nicht überall in der weiblichen Rennszene gut ankommt, denn in einer solchen Konkurrenz wird entsprechend hart und schnell gefahren. Nun könnte man denken: „Super, dann sollten ja alle starken Fahrerinnen sich freuen und am Start stehen.“ Weit gefehlt, das Gegenteil ist der Fall. Viel zu wenige Fahrerinnen waren am Start. Wo waren die nur alle? Und wie das Problem lösen? Ein Hobby-Rennen installieren und so auf mächtig Zuspruch hoffen? Wir stehen vor einem Henne-Ei-Problem. Mal schauen, was uns als Antwort in Zukunft darauf einfällt, schließlich haben wir mit Jasmin Corso nicht nur die schnellsten weiblichen Beine Nordhessens im Verein, sondern auch einen scharfen Verstand mit guten Ideen. Zum Rennen: Es gewinnt die bärenstarke Bianca Bernhard vom Project19VeloClub vor der immer schnellen Stefanie Paul vom Stevens MTB Racing Team und Jasmin. Annika ist nicht nur aktuell in unserem Verein das einzige schnelle U19-Mädel, sondern auch in ganz Hessen eine von gaaaanz wenigen. Leider war sie nach einem Infekt einfach noch nicht fit genug für die selektive und harte Strecke. Logische Konsequenz: ein DNF. Aber Annika ist eigentlich aktuell in guter Form, die wird sie beim nächsten (Bundesliga-)Rennen sicher wieder zeigen können. Bei den Jungs hatte Joshua Sandrock aus Melsungen einen schweren Stand, machte es mit Platz 4 aber prima. Mit Maxim Roor kam der Sieger vom RSV Gütersloh. Ihm folgten aufs Podest Hendrik Helml aus Hannover sowie Tim Diedrichs vom TSVE 1890 Bielefeld. 

Dann die U19 männlich. Hier zeigt sich das Nachwuchsdilemma überdeutlich. Im Normalfall erwartet man ein blitzsauberes Feld > 20 Fahrer, denn für die Vereine ist es enorm wichtig, viele Fahrer in dieser Altersklasse zu präsentieren, um dann im Übergang zur „Erwachsenenwelt“ ausreichend Sportler mitnehmen zu können. Gut, dass wir als ZG in diesem Jahr gleich acht Jungs vorzeigen können, drei davon konnten wir an diesem Sonntag an den Start bringen. Für Kalle war klar: hart würde es werden, Erfahrungen machen. Gian-Luca hatte noch am Mittwochabend unschöne Erfahrungen auf dem nassen Teer des Übungsplatzes machen müssen, daher die Bitte mehr mit dem Verstand als den Beinen zu arbeiten und für Leo galt: neue Maschine, Feuer frei. Alle Drei waren am Ende voll im Soll. An ihrer Seite waren die einzigen beiden Jungs vom STEVENS Juniorenteam Thüringen, die nicht in der Schweiz beim Bundesliga-Rennen in Gippigen am Start waren sowie Mika Gerberding vom RSC Hildesheim. Jakob Vogt aus Breitenworbis zog bereits in Runde zwei unwiderstehlich an und brachte das Ding souverän nach Hause. Dahinter war es lange Zeit ein heißer Tanz zwischen dem Erfurter Maximilian Katarzynski sowie Leo, bei dem Leo leider am Ende den Kürzeren zog – aber ein toller dritter Platz. Und Konkurrenz aufgemerkt: Leo hat erst eine Handvoll Rennen hinter sich, da ist noch jede Menge Luft nach oben. Gian-Luca war es dann zur Rennmitte leid, sich mit Mika Gerberding im Kreis zu drehen, ein beherzter Angriff und der Drops war gelutscht. Ein schöner vierter Platz für ihn. Kalle schließlich mit ganz vielen Mentalpunkten im Ziel. Gut gemacht und auch er noch mit jeder Menge Potenzial, das es zu heben gilt. Apropos Schweiz: Unser Karol fährt auf einen fantastischen 14. Platz in Gippigen an diesem Tag. Unfassbar, spektakulär, Wahnsinn. Dazu mit dem Team Hessen auf Nummer 1. Wo soll das noch hinführen?

Und dann: Dopingkontrolle. Die NADA stand vor der Tür und aus der U19 wurden Fahrer zur Kontrolle ausgewählt. Wie wir das finden? Spitze! Ein ganz wichtiges Zeichen nicht nur nach innen zu den SportlerInnen hin, sondern auch nach außen. Noch eine andere Sportart, bei der in Amateurveranstaltungen kontrolliert wird? Mal kurz überlegen……hm…ah, fast vergessen, woanders gibt’s ja keine Probleme. Oder der Märchen-Onkel erzählt, dass es in seiner Sportart doch gar nix bringen würde. Seien wir nicht naiv, jede Wettkampfsportart kann/wird von wenigen Schwachköpfen missbraucht. Übrigens war dies bereits die zweite Kontrolle eines Rennens innerhalb weniger Wochen, die wir selbst mitbekommen haben. Super. Viel, viel mehr davon. 

Letztes Rennen, noch mal volle Konzentration. Die Elite Männer. Mit diesem ganzen Auf- und Abstiegsgedöns wurde die Startliste etwas umhergewirbelt, hatten wir aber schließlich im Griff. Falls sich der BDR doch irgendwann noch zu einer Reform der Reform durchringen würde, wir würden es begrüßen – schlimmer wird’s ja nicht mehr werden. Nun alle Augen auf den Kasseler Oberbürgermeister Christian Geselle, der senkte die farblich korrekte Startflagge und ab ging die wilde Hatz. Schon im Voraus war klar, dass es für die Konkurrenz darum gehen würde, sich gegen das taktisch fahrende und sehr gut besetzte Melsunger Team durchzusetzen. Das erste Renndrittel mit den ersten Wertungspunkten war noch recht offen, dann aber mussten Max Feger, Axel Hauschke und Christian Herr anderen den Vortritt lassen. Philipp Plambeck von der Hamburger RG hatte den vollen Überblick und fuhr einen ganz starken Sieg ein. Dahinter ließ das STEVENS Racing Team um Alexander Hötte und Julien Essers nichts anbrennen – das Podium war komplett. Die Ergebnisfindung wurde bei den schnellsten Jungs umgestellt. Hatte der Wettfahrausschuss zuvor noch auf die Herausnahme einzelner Fahrer verzichtet, wurde in diesem Rennen davon Gebrauch gemacht. Unschön für die diejenigen mit längerer Anfahrt und dann – leider – weniger Runden, aber entspannter für den Rest und einfacher für das Ergebnis. Kaum war das Rennen gelaufen, kamen unsere Freunde der NADA auch wieder ins Spiel. Ab zur Kontrolle hieß es, die bei einigen doch mächtig Zeit in Anspruch nahm.

Fazit: Bis auf den extrem ärgerlichen Unfall eine aus unseren Augen rundum gelungene Veranstaltung. Ja, Verbesserungsbedarf ist immer. Wir haben bereits jetzt eine erste Liste mit Änderungsideen. Für uns ist klar, dass Radrennen nicht ins Industriegebiet gehören, sondern mitten rein in Städte und Gemeinden. Wenn schon das Rad das entscheidende Individualverkehrsmittel der Zukunft sein soll, dann muss der Sport das auch zentral abbilden können und dürfen. Wir von der ZG werden weiter machen mit jeder Menge Veranstaltungen. Ihr Sportler könnt uns dabei unterstützen. Kommt zu unseren Rennen. Weiter geht’s mit dem Rohloff-Cup, unseren Gravelern an jedem Donnerstag, der wunderbaren RTF plus Gravelstrecke am 14. August und dann folgt die Cross-Saison.

Hier kommt ihr zu den Bildern des Tages.