Am ersten Oktober startete in Gaiole in Chianti zu wiederholten Mal die L‘ Eroica. Eine Radveranstaltung mit 5.000 bis 6.000 Teilnehmern auf historischen Rädern und mit historischer Gewandung. Dabei stehen mehrere Strecken zur Verfügung. Es konnte zwischen Strecken von 46 – 209 km gewählt werden. Wir – Bernd und Sebastian – hatten uns für die 75 km Runde entschieden.

Eine völlig ausreichende Herausforderung. Verläuft die Strecke doch auf einem Drittel auf Naturstraßen und weist die toskana-typischen Höhenmeter auf. Für den Erhalt der Naturstraßen aus weißem Stein, man könnte auch von Schotter sprechen, macht sich seit langem ein dortiger Verein stark.

Die Toskana um Siena herum ist eigentlich prädestiniert für eine Kompaktkurbel – 1.522 Höhenmeter sind auf der 75 km Runde zu bezwingen. Wie sollte das mit historischen 42/26 als kleinste Übersetzung zu schaffen sein? Zumal der Untergrund oft nicht das Fahren im Wiegetritt zulässt. Genau dies galt es am Morgen des 1. Oktober heraus zu finden. Unser Startkorridor lag zwischen 7 und 10 Uhr. Erfahrungsgemäß steht der Ort  Gaiole mit seinen vielleicht 1.000 Einwohnern und drei Zufahrtswegen angesichts der Teilnehmermassen vor einem größeren Verkehrschaos. So waren wir nicht die Einzigen, die morgens dort hin wollten. Wir hatten tags zuvor eine Hoteleinfahrt als möglichen Halt ausgemacht. Dank unseres speziellen Shuttleservice in Form von Hannelore konnten wir uns eine aussichtslose Parkplatzsuche ersparen und gemütlich in den Ort rollen. Doch dann hieß es erstmal anstehen. Vom ausgeschilderten Anfang der Startzone bis zur Startlinie ging es in einzelnen Schritten voran. 250 m in 45 Minuten! Dann gingen wir endlich auf die Strecke. Pünktlich zu unserem Start setzte leichter Nieselregen ein. Auf der abschüssigen Strecke Richtung Siena war Obacht angesagt. Bernd und ich mußten aufpassen, um nicht „abgeräumt“ zu werden. Viele der Starter scheinen nicht allzu geübt mit der Radbeherrschung und Haken und Riemen. Denn selbstverständlich: Klickpedale sind verboten.

Zuerst ging es auf einer asphaltierten Landstraße aus dem Ort hinaus gen Süden. Dann ein scharfer Linksknick und schon waren wir im ersten Anstieg des Tages. Dieser führte zum ersten „Pave“-Stück des Tages. Ganz schön kniffelig, sich seinen Weg zu bahnen und während der Überholvorgänge nicht in dem losen Fahrbahnbelag zu versinken. Wenig später folgte die erste Abfahrt des Tages. Und das Ganze noch auf Schotterstraße. Da waren Unterlenker und noch mehr Vorsicht angesagt. Zudem forderte die Fahrt mit ständigem Auf und Ab auf nassen Straßen viel Konzentration. Auf der Strecke blieb dabei eindeutig der Genuss der tollen Impressionen und Ausblicke. Aber wir waren ja auch nicht einfach zum Spaß in die Toskana gereist. Eindeutig zu spät dann nach etwa 50 km der erste Verpflegungshalt. In einem riesigen Zelt wurden viele allzu leckere Dinge angeboten. Vom Kuchen über Brot, Parmaschinken, Wurst bis Rotwein konnte man sich nach Herzenslust verköstigen. Wasser für die Flasche gab es natürlich auch. Danach eine wilde, schnelle und steile Abfahrt. Rechtskurve weit, dann Linksschwung in den nächsten Anstieg. Einmal war der Anstieg so steil und der Schotter so viel, dass Sebastian nicht mehr aus den Pedalen kam und einfach seitlich umfiel. Im Anschluss kamen aber die Verpflegungsstellen sehr zahlreich. Jedes Mal gab es eine Vielzahl an Leckereien. Zwischen Pave-Abschnitten folgten nun auch längere asphaltierte Abschnitte. Nach der letzten Verpflegungsstelle folgte noch eine gefährliche Abfahrt durch kleine Ortschaften. Dann ging es das letzte Mal Berg hoch. Nach dem Pass die Abfahrt zurück nach Gaiole. Es war geschafft! Nach 4 Stunden überfuhr – oder besser schob – Sebastian die Ziellinie, Bernd folge kurz darauf.

Neben dem eigentlichen Rennen verwandelte die L‘ Eroica den Ort Gaiole für einige Tage in das Eldorado für historisches Radfahren. Dabei steht nicht sportliche Höchstleistung im Vordergrund. Historische Wolltrikots sowie Material en masse verwandeln den Ort in eine wahre Hinguckmeile. Und die Fahrer strömen von überall her nach Italien. So fährt der Brite mit Sack, Pack und Zelt schnell für ein paar Tage runter in die Toskana! Erstaunlich, wie viele von der Insel den Weg dorthin gefunden hatten. Ein Markt mit historischen Teilen, Bekleidung und Rädern verzauberte den interessierten Besucher. Hier fand man Räder mit drei Gängen und einer Zugschaltung am Hinterbau, aber auch für Hakenpedalen geeignete Schuhe in allen Größen. Sebastians Schnäppchen: eine passende Pumpe für sein rotes Colnago Rad. 

Ob wir eine zweite Teilnahme beabsichtigen? Wer weiß? Die Topologie mit langen Steigungen von über 15 % sind keine Seltenheit. Ob da ein historisches Sportgerät wirklich die richtige Wahl ist?